“Treffpunkt GOTT: Kleiner Kirchentag” am 9. November 2024

Ein Erfahrungsbericht von Jad Yzidi, Peer:

Die katholische Gemeinde Heilig Geist lud uns in Kaltenkirchen zum Kleinen Kirchentag „Treffpunkt Gott“ ein, um einige Workshops zu halten. Wir freuten uns, der Einladung nachkommen zu dürfen und hielten einen Workshop zu dem Thema: „Moschee – Ort der Begegnung und des Gebets“.

Drei Gebetsteppiche, der Qur’an und eine Gebetskette.
Diese bildeten das Zentrum des Sitzkreises, auf dem sich die Gäste versammelten.
Parallel dazu symbolisieren sie auch das Zentrum, wonach sich das Leben von Muslim*innen richtet, oder aber auch den Kern einer Moschee: Gebet, Gottesgedenken und die Heilige Schrift, der Qur’an.

Interessiert traten nacheinander die Besucher*innen in den Raum und fanden ihre Plätze. Nedra Ouarghi und ich begrüßten herzlich die Teilenehmer*innen. Nach einer kurzen Einleitung gingen wir in die Thematik über, um die es heute gehen sollte. Was ist eigentlich eine Moschee? Welche Bedeutung hat sie für Muslim*innen? Woher leiten sich die Wortwurzeln des arabischen Begriffes ab?

Interessant, dass bereits den Wörtern für Moschee die zwei Kernideen „Begegnung“ und „Gebet“ innewohnen. Doch es ist viel mehr als das: Ein Ort der Feierlichkeiten und Rituale, an dem etwa Eheschließungen, aber auch Zusammenkünfte anlässlich von Geburten oder Todesfällen stattfinden. Ein Ort, an dem alle zusammenkommen, ob zu Anlässen wie dem Freitagsgebet, Eid-Fest oder auch ohne Anlässe. Ein Ort der Gemeinschaft und Familie, des Zusammenhalts und des Teilens. Gleichsam ein Ort des Rückzugs, der Stille und Erholung, des Gebets, der Andacht und der Meditation.

Überraschend schien die Tatsache zu sein, dass Moscheen ganztags von Sonnenaufgang bis in die Nacht geöffnet sind und jede*r – ob Muslim*in oder nicht – herzlichst willkommen ist, unsere Gotteshäuser zu besuchen, in denen neben warmem Empfang, Austausch von Wissen und Möglichkeit der Ruhe und Sammlung auch stets freies Essen und Trinken zur Verfügung stehen. Wie ein Gast es schön formuliert hatte: „Dort werden alle Grundbedürfnisse des Menschen gedeckt“.

Wir gingen auf Nachfrage konkreter auf die Inhalte der Ansprachen und Vorträge der Imame in den Moscheen ein, welche von alltäglichen Problemen bis hin zu theologischen Fragen und religiösen Pflichten sowie dem Weltgeschehen alles beinhalten. Bildungsformate, welche in Moscheen üblich sind, behandeln oft neben der Auslegung des Qur’ans auch weitere lebensrelevante Themen wie Ethik und Moral, Bücher und Werke von frühen hochgeachteten Gelehrt*innen und Philosoph*innen sowie eigene Fragen und Themen, welche die Schüler*innen selbst mitbringen. In einem interaktiven Rahmen haben die Schüler*innen die Möglichkeit, Nachfragen zu stellen, eigene Themen einzubringen sowie zum Reflektieren und kritischem Denken angeregt zu werden.

Dabei zeigen sich auch vor allem Jugendliche und junge Erwachsene engagiert und partizipieren über die Bildungsformate hinaus oft im Rahmen der Gemeinschaft, hauptsächlich ehrenamtlich, um die Gemeinde vielseitig zu unterstützen.

Eine weitere Thematik, welche wir behandelt haben, war die hohe Relevanz der Verantwortung der Menschen gegenüber sich selbst, gegenüber der Natur und Umwelt, gegenüber den Mitmenschen und letztendlich in all dem gegenüber Gott. Wir besprachen, dass Glaube ohne Verantwortung, ohne Nächstenliebe und aktive Handlungen für Recht und Güte unvollständig sei und dass Glaube und Verantwortung miteinander einhergehen – das eine kann ohne das andere nicht existieren.

Die Gäste schienen begeistert und freuten sich, eine noch so lebendige und alltagsintegrierte Spiritualität, Religiosität und Gemeinschaftlichkeit zu erfahren.
Zwischendurch wurden immer wieder mal Fragen – auch zu vielen anderen Themen – gestellt, welche von uns aufgegriffen und ausführlich behandelt wurden. Der Austausch war von gegenseitigem Respekt, Wertschätzung sowie von offener Neugier und ehrlichem Interesse geprägt.

Als der erste Workshop zu Ende ging, überlegten wir, welchen Workshop wir gerne in dieser „Freistunde“ besuchen wollen würden, da unser zweiter Workshop erst später starten würde. Doch zwei unserer christlichen Teilnehmer waren so begeistert und fasziniert, dass wir uns in einem fesselnden Gespräch dafür entschieden, den ersten Workshop einfach in der Mensa weiterzuführen.

Ein Pastor sowie zwei weitere Interessierte stießen auf Kaffee, Tee und Kuchen dazu und wir führten gemeinsam eine sehr spannende Unterhaltung über Glauben, Christentum und Islam, interreligiösen Dialog und die diverse Gesellschaft Deutschlands.
Wir verstanden uns sehr gut und fühlten uns wie Geschwister, beide Nachfahren unseres gemeinsamen prophetischen Großvaters Abraham. Dies spiegelte sich in unserer Haltung wider, welche von Nächstenliebe, Wertschätzung und Harmonie erfüllt war.

Den zweiten Workshop später nach der Mittagspause besuchten Gäste, die wir von zuvor kannten. Sie hatten noch offene Fragen und großes Interesse und auch wir freuten uns sehr darüber, diese Neugier und Begegnungsfreude teilen und stillen zu können. Wir sprachen dieses Mal über den Islam, die weiteren Ebenen des Imans und Ihsan, aber auch über spirituelle Übungen, Bewusstsein und die Selbsterkenntnis als Voraussetzung und Weg zur Gotteserkenntnis. Der Islam, als die äußere Ebene der Handlungen auf rechtschaffende Weise. Der Iman (Glaube), als die innere Ebene des rechten Verständnisses der Glaubensaspekte. Und schließlich der Ihsan ( = schön und gut), die innerste Ebene der inneren Haltung, der Achtsamkeit und des Bewusstseins gegenüber der göttlichen Präsenz, in allem Tun und Lassen. Und wie diese Elemente miteinander in Verbindung stehen, aber auch die Praxis der Gebete, des Fastens sowie des Gottgedenkens als Stärkung dieser Achtsamkeit sowie als Anker und Erfrischungsort, als Gelegenheit dem Alltagstrudel zu entfliehen und vom weltlichen Dauerbeschall zur geistigen Ruhe und Frieden zurückzukehren, um sich zu sammeln und wieder zu besinnen – als Gelegenheit, Gott selbst auf gewisse Weise zu begegnen, sowie uns selbst. Die Relevanz der Selbsterkenntnis wurde von einem Gast nochmal betont und er verwies auf ost-asiatische sowie christliche Lehren, welche das völlige Loslösen von Ich-Bezogenheit als höchstes Ziel verstanden. Im Islam heißt es gemäß einer prophetischen Überlieferung: „Wer sich selbst erkennt, erkennt Gott“. Und diese Selbsterkenntnis, erlangt durch spirituelle und religiöse Praktiken, wird zum Tor, durch dessen Öffnung man das Göttliche selbst erfahren kann, wenn die Schleier des Ich gelüftet und das Auge des Herzens geöffnet sind. Und diese Erkenntnis Gottes, die Verbindung und Nähe zu Ihm, die Liebe, das ist es doch letztendlich, worum es in der Religion tatsächlich geht.

Treffpunkt Gott – treffender geht es nicht.
Gott als das verbindende Element zwischen verschiedenen Menschen und Traditionen.
Dieser Tag war ein weiterer Beweis, dass uns im Grunde genommen nichts trennt, sondern es im Gegenteil ein Übermaß an Elementen gibt, welche uns miteinander verbinden, sei es ein gemeinsamer Glaubens-Vater, Werte und Ethik oder der Glaube an Gott selbst. Und so wurde das Band zwischen Islam und Christentum, Muslim*innen und Christ*innen sowie Kirchen und Moscheen an diesem Tag gestärkt und der Wunsch geäußert, sich in Zukunft gegenseitig zu unterstützen, Minderheiten zu schützen und Spiritualität zu stärken sowie einen Beitrag zu leisten für gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung, um mehr Wärme, Liebe und Frieden in die Menschen und Gesellschaft zu tragen.

Zu jeder Zeit wurden wir von unseren christlichen Gastgeber*innen und Gästen herzlich aufgenommen, respektiert und wertgeschätzt. Es war uns eine große Ehre und Freude, Teil dieser sehr schönen Veranstaltung gewesen sein zu dürfen und wir freuen uns sehr auf ein nächstes Mal!