Podiumsdiskussion: „Muslimische Seelsorge in Hamburg – Perspektiven in der Palliativarbeit“ am 08.10.2024 in der Belal Moschee
Ein Erfahrungsbericht von Jad Yzidi, Peer:
In der Belal-Moschee fand heute der zweite Austausch zwischen den Palliativ-Expert*innen und Muslim*innen zum Thema „Muslimische Seelsorge in Hamburg“ statt. Die Referent*nnen der Podiumsdiskussion waren alle Expert*innen in ihrem Gebiet; Erfahrene Ärzte, Fachmänner und -frauen der Palliativarbeit sowie Imame und Theologen. Herr Jakobi stand auf dem Podium von Seiten des Fachrates Islamische Studien e.V.
Nach einer kurzen Einführung und Vorstellungsrunde begann die Erörterung des Zwecks dieser Versammlung: Der große Bedarf an muslimischen Seelsorger*innen für muslimische Patient*innen.
Die Ärzt*innen und Fachkräfte, wie z.B. Herr Goldbach, Geschäftsführer des Goldbach PalliativPflegeTeam, erläuterten das Problem: In der Palliativarbeit mit muslimischen Patient*innen begegnen Fachkräfte immer wieder Herausforderungen und Glaubensfragen, die sie ohne Verständnis über die Religionspsychologie und theologischen Fachfragen des Islam nicht alleine zufriedenstellend behandeln können.
Sie geben ihr Bestes, religionssensibel und fachlich kompetent zu arbeiten, doch stoßen sie hier auf Grenzen, die sie mit Hilfe muslimischer Partner*innen und Seelsorger*innen überwinden möchten.
Ein muslimischer Arzt berichtet von seinen Erfahrungen und betont, wie groß der Bedarf bei muslimischen Patient*innen sei, von muslimischen Fachkräften betreut zu werden. Gleichzeitig gebe es keine anerkannte und entsprechend vergütete Aus- oder Weiterbildung im Bereich islamischer Seelsorge. Eine Nische mit großem Bedarf wurde aufgedeckt und in eine Zukunft der interreligiösen Zusammenarbeit zum Wohle der Menschen geblickt.
Es wurde auch die Frage diskutiert, ob denn eine religiös homogene Betreuung in der Palliativarbeit von Nöten wäre oder nicht. Könnte etwa ein Christ beispielsweise von einem Muslimen betreut werden könne? Unstrittig war jedoch die Feststellung, dass in Anbetracht theologischer Fragen und religionspsychologischer Realitäten eine entsprechende Beheimatung, Sensibilität, tiefes Glaubensverständnis und Fachwissen auf theologischer Ebene notwendig wären, um den Patient*innen kompetent, fachlich und einfühlsam in all ihren Belangen gerecht zu werden.
Es war eine interessante Diskussion und das Thema war mir vorher nie so wirklich bewusst. Doch nach Erfahrungsberichten und Ausführungen wurde mir klar, dass es definitiv ein ernstzunehmendes Thema und eine Baustelle ist, auf deren Fertigstellung viele warten – und während des Wartens Herausforderungen bestehen bleiben, an denen das psychologische und geistliche Wohl von vielen Muslim*innen gekoppelt ist.
Mein persönlicher Höhepunkt der Veranstaltung war die Rede von Herrn Jakobi. „Alle Menschen sind Seelsorger” und „Alle Menschen sind Seelsorgefälle”.
Aus einer ganzheitlichen und zusammenhängenden Perspektive beleuchtete Herr Jakobi die Wurzeln des Problems: Fehlendes Einfühl- und Empathievermögen, fehlende zwischenmenschliche Wärme, fehlende Sensibilität und Empfindsamkeit.
Gesellschaftskritisch und zugleich lösungsorientiert bereicherte sein Vortrag die Veranstaltung durch neue Einblicke und Evaluationen in die sozialen, demographischen und zwischenmenschlichen Realitäten. Früher waren es die einfachen Menschen und praktisch die Familie, der Nachbar, der Fremde, welche Seelsorge alltagsintegriert und entsprechend der natürlichen menschlichen Veranlagung ausübten.
„Zuhören” sei doch schließlich das, worum es bei der Seelsorge gehe.
Und dieses Zuhören sei heutzutage ziemlich im Alltagstrubel, der Hektik und Leistungserwartungen untergegangen. Die Veranstaltung stellte einen Ruf nach Augenhöhe zwischen Ärzt*innen und Patient*innen, nach Respekt, Mitgefühl und Wertschätzung für die Patient*innen und ihre Bedürfnisse, Sorgen und Wünsche dar. Sie war eine Besinnung auf das Menschliche, das zugewandte Miteinander – ein Wunsch nach Nächstenliebe und einem offenen Ohr.
Zum Schluss wurde eine offene Diskussion mit den Anwesenden eröffnet und verschiedene Fragen und Beiträge geteilt. Trotz eines klaren Bedarfs und klarer Argumente, wurden kleine Meinungsverschiedenheiten festgestellt, welche jedoch respektvoll und friedlich angenommen wurden. Das gemeinsame Ziel, den Menschen zu helfen und der Wille der Zusammenarbeit für die Ermöglichung religionssensibler Palliativarbeit bleiben bestehen und wurden durch diese Veranstaltung erneut betont.
Im Anschluss wurde ein Buffet eröffnet und in kleinen Gesprächskreisen ließen die Teilnehmenden und Referierenden den Abend mit Nahrung für Körper, Geist und Seele ausklingen.