Unter dem Titel „Wie wollen wir morgen glauben? Religiosität der Zukunft: Aufbrechen! Aber wohin?“ organisierten die evangelische und katholische Hochschulgemeinde Lüneburg eine interreligiöse online Podiumsdiskussion am 8. Dezember.

Wie wird Religiosität in 20, 30, 50 Jahren aussehen? Was wird noch tragen, was weiter Kraft haben, was muss sich verändern, was wird sterben? Zu diesen Fragen diskutierten miteinander: Abu Ahmed Jakobi (Fachrat Islamische Studien, Hamburg), Nils Clausen (Vorsitzender der deutschen buddhistischen Union) und Klemens Teichert (Spiritual in der vernetzten Ausbildung pastoraler Mitarbeiter*innen des Bistums, Hildesheim). Die Hochschulseelsorger*innen Silke Ideker und Michael Hasenauer moderierten den Abend.

Die Moderator*innen eröffneten die Veranstaltung mit kurzen persönlichen Assoziationen und Fragen zu den vertretenen Religionsgemeinschaften und leiteten dann über zu den ersten Fragen an die Referenten: Was ist der Kern der jeweiligen Religion und was trägt Sie persönlich?

Herr Jakobi wählte als Einstieg eine kurze Präsentation einer Koranrezitation und betonte in der Folge, dass sein Glaube zentraler Bestandteil seines Lebens sei. Der Islam sei für ihn Zuhause und verleihe ihm Sinn, Wert und Orientierung. Herr Teichert unterstrich u.a. die Bedeutung des Gebets für ihn, die Lektüre der heiligen Schriften und den Dienst an Bedürftigen. Im Anschluss daran führte Herr Clausen in die für ihn zentralen Elemente Geistestrainung und Ethik ein.

In der zweiten Runde kamen die Diskutanten zu den Fragen ins Gespräch, was sich verändern werde und müsse in der Zukunft.

Herr Teichert wies auf bereits beobachtbare Entwicklungen in der Kirche hin. So verändere sich etwa durch zahlreiche Kirchenaustritte die Finanzierungslage der Institutionen. Aber es werde auch deutlich, dass die tradierten Formen von Liturgie nicht mehr alle Menschen adäquat anspreche – vor allem die jüngeren. Ändern müsse sich, so Herr Teichert, u.a. die Rollenzuweisung zwischen Mann und Frau im kirchlichen Kontext. Notwendig sei zudem eine stärkere Öffnung hin zu einem intensiveren Dialog mit den modernen Natur- und Humanwissenschaften.

Herr Clausen knüpfte hieran teilweise an, indem er den zunehmenden Vertrauensverlust in der Gesellschaft gegenüber institutionalisierter Religion ansprach. Dieser deute auf eine Reformbedürftigkeit hin. Es gäbe berechtigte Kritik an religiösen Strukturen, die oftmals patriarchal und hierarchisch aufgebaut seien und so auch einem stärker werdenden Individualismus nicht Rechnung tragen würden.

Herr Jakobi kritisierte in seinem Wortbeitrag das Verschwinden einer normativen Mitte in der Gesellschaft im Zuge der Säkularisierung. Dies habe in weiten Teilen eine Orientierungslosigkeit hervorgerufen und habe „den modernen Menschen ‚spirituell obdachlos‘“ werden lassen. Das wiederum könnte zu einer neuen Suche nach Sinn, Wert und auch Spiritualität führen. Letztere sei jedoch ohne eine tradierte rituelle Form nicht möglich.

In der letzten Fragerunde zur Zukunftsvision sowie in der anschließenden Phase der Breakout-Sessions für die Teilnehmenden und auch im Abschluss im Plenum wurden trotz der religionsspezifischen und persönlichen Unterschiede der Redner*innen gemeinsame inhaltliche Linien klar: Es bedarf einer konstruktiven Antwort der Religionen zur Frage ihrer Relevanz in der heutigen Welt. Dazu gehöre auch die Suche nach gemeinsamen Werten. Hieraus ergebe sich eine Verantwortung aller für die Welt und die Mitmenschen.