In den Räumlichkeiten der Albanischen Moschee im Hamburger Stadtteil St. Georg fand am 10. April 2019 der zweite Abend der Reihe „Wie offen ist unsere Gesellschaft?“ statt. Junge Muslim*innen berichten von ihrem Glauben und wie er sie motiviert, sich für ein gutes Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu engagieren.

Charaha ist 16 Jahre alt und erlebt aufgrund ihrer Religion und Hautfarbe im Alltag Diskriminierung und Vorurteile. Sie möchte trotzdem an ihrem Glauben festhalten und dazu stehen, wer sie ist. Sie will sich nicht länger fragen, was falsch mit ihr sei. „Denn wer definiert eigentlich, was richtig und was falsch ist?“ fragt sie. Grundlage ihres Glaubens ist das islamische Menschenbild. Die Menschen sind als Gottes Geschöpfe Statthalter*innen Gottes auf Erden und haben die Verantwortung für diese Welt übertragen bekommen. Sie sollen ihre Fähigkeiten zum Denken und Urteilen zum Wohle aller Menschen einsetzen.

Die zwanzigjährige Melisa studiert an der Akademie der Weltreligionen. Ihr Glaube sei für sie keine Privatsache, sondern führe sie unmittelbar dazu, anderen Menschen zu helfen, sei es ganz konkret in der Obdachlosenhilfe oder einfach durch ein Lächeln an ihre Mitmenschen in der U-Bahn. Die Entscheidung, ob sie eines Tages ein Kopftuch tragen möchte, ist für sie ein persönlicher und intensiver Prozess, den sie selbst bestimmt.

Der zweiundzwanzigjährige Moutassem ist seit ca. dreieinhalb Jahren in Deutschland. Er kommt aus Syrien und absolviert zurzeit seine Ausbildung zum Erzieher. Parallel macht er sein Abitur. Er hält einen Vortrag zum Thema „Menschenbild und die Verantwortung des Menschen für die Schöpfung im Islam“. Er betont den guten Kern des Menschen, der fähig sei, voranzuschreiten und hohe Ziele und Ideale zu erreichen. Gemeinsam Hand in Hand könne der Mensch Gutes bewirken und sich, im Sinne der Schöpfung, die ihm anvertraut sei, mit Liebe und Glauben einsetzen. 

Der zweiundzwanzigjährige Julian studiert an der Akademie der Weltreligionen. Er möchte ein guter Lehrer werden und seiner Schüler*innenschaft im Religionsunterricht die Möglichkeit geben, sich weiterzuentwickeln. Der interreligiöse Dialog, so Julian, sei ein gutes Medium, den Schüler*innen einen gefestigten Glauben in der eigenen Tradition anzubieten, der wiederum präventiv die Schüler*innen vor Radikalisierung schütze.

Sümeye ist dreiundzwanzig Jahre alt und studiert an der Universität Hamburg. Sümeye macht den Auftakt der Veranstaltung. Sie kommt ruhig und bescheiden nach vorne, doch nach den ersten Zeilen ihres „Spoken Word“ fesselt sie ihre Zuhörer*innen. Gekonnt und kunstreich baut sie aktuelle Debatten ein, wie etwa das Kopftuchverbot, die Flüchtlings- oder Umweltpolitik. Mit einer Mischung aus Kritik und Humor versucht Sümeye in ihrem Gedicht „Liebes Deutschland“, Antworten auf die hiesigen Probleme zu geben. Am Ende stellt sie fest: „Viellicht muss ich gar nicht mein Kopftuch abnehmen, Deutschland…, sondern Du Deine Augenbinde.“

Die jungen Muslim*innen stellen sich im Anschluss nach der Methode des speed-dating den Fragen der Teilnehmer*innen und geben offen und ehrlich Antworten. Sie zeigen überzeugend und beeindruckend, dass ihr Glaube kein Hinderungsgrund ist, Teil einer offenen Gesellschaft zu sein. Im Gegenteil: sie machen unsere Gesellschaft bunt, vielfältig und zukunftsfähig.

Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Diakonie Hamburg, dem ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg/Südholstein, dem ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg-Ost, dem Evangelischen Frauenwerk Hamburg-West/Südholstein, dem Frauenwerk der Nordkirche und der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg organisiert.